Alter, biologisches

28. Oktober 2022 A 0

Alter, biologisches (age, biological), durch die morphologische und funktionelle Entwicklung bestimmtes Alter (Reifealter), das individuell stark vom kalendarischen Alter abweichen kann. →Körperbauentwicklungsalter (KEA), →Körperbauentwicklungsindex (KEI).

Das biologische Alter hat einen großen Einfluss auf das Leistungsvermögen und sollte deshalb bei der Leistungsbeurteilung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden (→Talenterkennung). So haben sich mehrheitlich biologisch akzelerierte Schwimmer für die JEM qualifiziert (Rudolph, 1996). Ergebnisse in den 70iger Jahren (Kupper/Jüling) in Leipzig bestätigten den Einfluss des biologischen Alters (Reife) auf die körperliche Entwicklung und besonders die Kraft bei jungen Schwimmern und Schwimmerinnen. Vorontsov et al. (1999) ermittelten den größten Einfluss der biologischen Reife auf die Kraft bei  13-14-jährigen Mädchen und 14-15-jährigen Jungen. Mit zunehmendem Alter, d.h. gegen Ende der Pubertät wurde der Einfluss des biologischen Alters auf die Kraft kleiner.

Die Schätzung des biologischen Alters erfolgt durch die Bestimmung des Skelett-, Zahn-, Reife- oder Proportionsalters und führt zu Aussagen mit einer Genauigkeit von etwa 85%. Wegen des geringen Aufwandes und des Ausschlusses von Röntgenstrahlen wird im Sport bevorzugt das biologische Alter mit anthropometrischen Messungen bestimmt. Ein relativ einfaches Verfahren auf der Basis von Körpergewicht, Körperhöhe sitzend und stehend haben Schweizer Sportwissenschaftler von Mirwald et al. (2002) übernommen: http://www.mobilesport.ch/wp-content/uploads/2011/02/Manual_Talentdiagnostik_und_-selektion_230309.pdfZugriff 13.06.22. Präzisere Ergebnisse wurden mit dem EMN-Index (Electrophoretic mobility of cell nuclei) erreicht (Wawrzyniak 2001). Die komplizierte Methode bleibt aber Wissenschaftlern vorbehalten. Zudem konnte ein signifikanter Zusammenhang des biologischen Alters mit Steroidhormonen wie Testosteron (TRT) und Estradiol (EST) nachgewiesen werden (Almeida-Neto et al. 2022).

Methoden zur Bestimmung des biologischen Alters (Rudolph, Nachwuchskonzeption des DSV, 2015, S.86)

Abb.: Beide Schwimmerinnen gehören dem gleichen Jahrgang an. Die Linke ist aber biologisch 11/2 Jahre, die Rechte 7/2 Jahre (Rudolph)

Exkurs: Da wir im Leistungssport vorrangig mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wird die Thematik „Biologisches Alter“ vorwiegend auf diesen körperlichen Entwicklungsbereich beschränkt. Inzwischen spielt das biologische Alter, besser metabolisches Alter, eine große Rolle auch für Erwachsene. Denn der natürliche Alterungsprozess ist eine Kombination von kalendarischem Alter, Lebensstil und  genetischer Veranlagung. Ein Indikator für den biologischen Alterungsprozess sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen (Telomere als „Biomaker des Alterns“). Diese werden mit jeder Zellteilung kürzer, bis sich die Zellen nicht mehr teilen und vergreisen. Einen großen Einfluss darauf hat negativer Stress. So verkürzen sich nach posttraumatischer Belastungsstörung die Telomere schneller, ebenso machen Einsamkeit, Schlafstörungen, Hoffnungslosigkeit, Ängste und depressive Gefühle um 1,65 Jahre älter SPIEGEL 1.10.22, S. 96). Inflation, Klima- und Energiekrise machen uns also nicht nur ärmer, sondern auch älter. Auch reifer?

Auch mit sechzig kann man noch vierzig sein – aber nur noch eine halbe Stunde am Tag. Anthony Quinn (1915-2001) US-amerikanischer Schauspieler


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert