Brustschwimmen

10. April 2023 B 0

Brustschwimmen (breaststroke), eine der vier wettkampfmäßig betriebenen olympischen Schwimmarten (100/200m und als Teilstrecke im Lagenschwimmen).

Historie: Als eine der ältesten Schwimmarten 1904 in das Programm der Olympischen Spiele aufgenommen, zunächst über 200m, seit 1968 auch über 100m. In den ersten Jahrzehnten als „orthodoxes“ Brustschwimmen mit folgenden Merkmalen: Gesicht stets über Wasser, Einatmung während des Armzuges, weit gegrätschte Beine als Hauptantriebsmittel, dabei völlig nach vorn gestreckte Arme. Von 1935 bis 1952 wurde in den Brustwettbewerben häufig Schmetterling geschwommen. Als 1953 Schmetterlingsschwimmen selbstständig wurde, begann mit der Betonung des Antriebs auf die Arme und der Reduzierung der Gleitphase eine neue Etappe. 1957 verbot die FINA das bis dahin übliche Tauchen und gestattete nur noch einen Tauchzug nach Start und Wende. Bei den Spielen 1960 zeigten Mulliken und Osaki einen breiten Armzug, wobei die Hände nicht hinter die Schulterlinie gelangten. Das Gesicht blieb während des Zuges im Wasser, am Ende wurde aber der Kopf zur Einatmung sprunghaft angehoben. Die Beinführung war schmaler. Seit 1986 kann der Kopf pro Zug einmal unter Wasser sein. Das führte zur Undulationstechnik, die durch die wellenförmige Körperbewegung die gegenwärtig anspruchsvollste Brustschwimm-Technik ist. Auf der 200m-Strecke wird die Gleittechnik bevorzugt. Nachdem 1993 Kitajima mit deutlichen Delfinkicks (→Delfinbewegung) Weltmeister wurde, war auch dieser Prozess nicht mehr aufzuhalten.

 Wettkampfbestimmungen (§128):

1)„Nach dem Start und nach jeder Wende darf der Sportler vollständig untergetaucht einen Armzug
bis zu den Oberschenkeln ausführen. Vor dem ersten Brustbeinschlag nach dem Start und nach
jeder Wende ist zu jeder Zeit ein einziger Schmetterlingsbeinschlag erlaubt. Der Kopf des
Sportlers muss die Wasseroberfläche durchbrochen haben, bevor beim zweiten Armzug die
Hände am weitesten Punkt nach innen gedreht werden.

2) Von Beginn des ersten Armzugs an nach dem Start und nach jeder Wende muss der Körper in
Brustlage gehalten werden. Das Drehen in die Rückenlage ist zu keiner Zeit erlaubt, außer
während der Wende, bei der nach regelkonformem Anschlag ein beliebiges Drehen erlaubt ist,
sofern sich der Körper beim Verlassen der Wand wieder in Brustlage befindet. Während des
ganzen Rennens muss der Bewegungszyklus aus jeweils einem Armzug und einem Beinschlag,
in dieser Reihenfolge, bestehen. Alle Bewegungen der Arme müssen gleichzeitig und ohne
Wechselbewegungen erfolgen
.
3.) Die Hände müssen auf, unter oder über der Wasseroberfläche von der Brust nach vorne geführt
werden. Dabei müssen die Ellenbogen stets unter Wasser sein, außer beim letzten Armzug zum
Anschlag an der Wende, während der Wende und beim letzten Armzug zum Zielanschlag. Die
Hände müssen an oder unter der Wasseroberfläche nach hinten gebracht werden. Dabei dürfen
sie nicht weiter als bis zu der Hüfte nach hinten gebracht werden.

4.) Während eines jeden vollständigen Bewegungszyklus muss der Sportler mindestens einmal mit
einem Teil des Kopfes die Wasseroberfläche vollständig durchbrochen haben.

5.) Alle Bewegungen der Beine müssen gleichzeitig und ohne Wechselbewegungen erfolgen. Beim
Beinschlag müssen die Füße bei der Rückwärtsbewegung auswärts gedreht sein. Bewegungen
der Beine in Form eines Wechselbeinschlages oder eines nach unten gerichteten
Schmetterlingsbeinschlags sind nicht erlaubt. Die Füße dürfen die Wasseroberfläche
durchbrechen, vorausgesetzt, dass die Abwärtsbewegung nicht in der Form eines nach unten
gerichteten Schmetterlingsbeinschlags fortgesetzt wird.

6.) Bei jeder Wende und am Ziel hat der Anschlag mit beiden Händen gleichzeitig zu erfolgen, und
zwar an, über oder unter der Wasseroberfläche. Der Anschlag mit aufeinanderliegenden Händen
ist nicht erlaubt. Dem letzten Armzug vor der Wende oder beim Zielanschlag muss kein
Beinschlag folgen. Nach dem letzten Armzug vor dem Anschlag darf der Kopf des Sportlers dabei
vollständig untergetaucht sein, vorausgesetzt, dass er die Wasseroberfläche an einem Punkt im
letzten vollständigen oder unvollständigen Bewegungszyklus vor dem Anschlag durchbrochen
hat (Fassung vom 12.03.2023).

Entwicklung des Weltrekords über 100B/Herren seit 1956

Technik (Text/Aufnahmen von Jörg Bügner, OSP Hamburg/Schleswig-Holstein):

Mit dem Brustschwimmen sind verschiedene Attribute verbunden: Es ist die langsamste Schwimmtechnik, bei der das Vortriebsverhältnis von Arm- und Beinbewegung nahezu ausgeglichen ist. Aufgrund des komplexen Zusammenspiels zwischen Arm- und Beinbewegung und der sich dadurch veränderten Wasserlage haben sich drei Technikvarianten herausgebildet: Gleit-, Überlappungs- und Undulationstechnik (s. unten). Die koordinativen Aspekte sind maßgeblich verantwortlich für ein erfolgreiches Brustschwimmen im Hochleistungsbereich.

Koordination: Bei der Gleittechnik gleitet der Schwimmer für einen kurzen Zeitraum mit vollkommen gestreckten Armen und Beinen. Bei der Überlappungstechnik beginnt die Armbewegung während der Streckbewegung der Beine, genauer gesagt während des Einwärts –Aufwärts – Anteils der Beine. Die Undulationstechnik gleicht der Überlappungstechnik in der Arm – Bein-Koordination, sie bezieht ihre Bezeichnung allerdings aufgrund einer ausgeprägten Wellenbewegung des Rumpfes. Aufgrund der hohen koordinativen Anforderungen und der benötigten Rumpfkraft wird die Undulationstechnik überwiegend auf den Sprintstrecken und im Hochleistungssport eingesetzt.

AtmungJanne SchŠferDie Einatmung beginnt bei sämtlichen Technikvarianten während des Einwärts -Abwärts-Anteils der Armbewegung, die Ausatmung während des Auswärts-Aufwärts-Anteils / Auswärts-Abwärts-Anteils. Es wird aktiv durch Mund und Nase ein- sowie ausgeatmet.
BeinbewegungJanne SchŠferDie Brustbeinbewegung wird in ein Anfersen, ein Ausstellen der Füße und in eine Streckbewegung unterteilt. Beim Anfersen kommt es zu einer Beugung im Knie– und Hüftgelenk, wobei die Unterschenkel im Strömungsschatten der Oberschenkel und des Rumpfes bewegt werden.
Janne SchŠferDie Füße sind locker einwärts gedreht, der Abstand zwischen den Knien individuell unterschiedlich (→ Leitbild). Charakteristisch für das Brustschwimmen ist die Bogenspannung während des Anfersens der Beine, was u. a. durch ein aktives Nach-unten-Drücken der Hüfte erreicht wird
Janne SchŠferEine Außenrotation des Hüft- und Kniegelenks bewirkt ein Ausstellen der Füße. Das ist erforderlich, um im Sinne des Regelwerkes durch die dorsal flektierten Füße eine möglichst große Anstellfläche für die anschließende Streckbewegung zu erzielen.

 

Bei der Streckbewegung werden die Auswärts-Abwärts-Anteile, die Einwärts -Abwärts-Anteile sowie die Einwärts -Aufwärts-Anteile individuell verschieden ausgeführt. Gemeinsam ist den individuellen Ausprägungen, dass die Beine zum Ende der Streckbewegung geschlossen sind. Der erst in den Wettkampfbestimmungen erlaubte Delfinkick während des Tauchzuges sollte entweder zu Beginn des Armzuges oder während der Druckphase ausgeführt werden. Olstadt et al. (2014) entwickelten einen neuen Ansatz zur Diagnostik mit vier Phasen, wobei besonders der Kniewinkel eine bestimmende Rolle spielt.

ArmbewegungJanne SchŠferDie Armbewegung beginnt zunächst mit gestreckten, dann mit zunehmend gebeugten Ellbogengelenken. Der Grad des Auswärts-Aufwärts-Anteiles sowie des Auswärts-Abwärts-Anteiles ist je nach Stil unterschiedlich.
Janne SchŠferBei der Undulationstechnik ist der Auswärts-Aufwärts-Anteil beispielsweise wesentlich ausgeprägter. Auch der nächste Abschnitt der Zugphase (Einwärts -Aufwärts-Anteil) wird individuell verschieden gestaltet. Entscheidend ist, dass die Hand in Verlängerung des Unterarmes bleibt.
Janne SchŠferIn der Druckphase werden die Ellbogen hinter die Schulterachse und zur Körpermitte einwärts, aufeinander zu bewegt.
Janne SchŠferIn der Rückholphase wird der Kopf strömungsgünstig zwischen den Armen gehalten.

Auswahl von neueren Ergebnissen wissenschaftlicher Studien:

  • Aufgrund eines geringeren Prozentsatzes der Geschwindigkeitsabnahme der Hüfte kann eine höhere Effizienz beim Schwimmen erzielt werden, wenn der Beinschlag während des Einschwingens oder der frühen Erholungsphase des Armes eingeleitet wird (Ward et al. 2018).
  • Es bildete sich ein effektiverer Beinschlag heraus, wenn die Probanden auf vielgestaltige Erfahrungen in der Interaktion zwischen Körper und Wasser zurückgreifen können. Dies legt ein Überdenken der traditionell auf die räumlichen Merkmale fokussierten Lehrmethoden nahe, zugunsten einer größeren Betonung der rhythmischen Merkmale des Brustbeinschlages (Ried & Massoli Rodrigues 2017)
  • Die Geschwindigkeit über 50m Brust ist stark mit einer signifikanten Verkürzung der Lücke zwischen den Zyklen – Gleiten oder Überlappung – verbunden. Die sagittale maximale ventrale Beschleunigung und die sagittale Amplitudenbeschleunigung korrelieren signifikant mit der Schwimmgeschwindigkeit über 50m Brust. Die dem Delfin-ähnlichen Körperwellen führen richtig ausgeführt zu einer höheren Schwimmgeschwindigkeit im Sprintbereich (Strzala et al. 2017)
  • Havriluk (2017) räumt mit dem Missverständnis auf, dass die Rückführung über Wasser besser ist als die unter Wasser. In der Realität ist die Rückführung über Wasser die weniger effektive Methode.
  • Zwischen 50m, 100m und 200m-Wettkämpfen gibt es beträchtliche Unterschiede in den Techniken (Frequenz, Zyklusweg; Gleitphase usw.). S. dazu Pilipko & Druzhyninska (2017) und Wettkampfanalyse der WM 2017 (Fuhrmann et al in swim & more 2018).
  • Thow (2016) untersuchte mittels 2-dimensionaler (2-D) Videoanalyse die Auswirkung von Ermüdung auf die Technik bei Elite-Brustschwimmern. Die größten Veränderungen wurden bei der Gleitdauer der Beine (64,6 %), der Schwimmzeit (33,2 %), der Schlagfrequenz (35,3 %), der Schlaglänge (-29,2 %) und der Durchschnittsgeschwindigkeit (-10,2 %) festgestellt.
  • mehr dazu unter https://www.iat.uni-leipzig.de/datenbanken/iks/sponet/Search/Results?lookfor=Brustschwimmen&type=AllFields&page=2 – Zugriff 27.10.22

Exkurs: Ein interessantes Modell hat Mundelsee (2022) mit seiner Brust-Matrix 2,0 entwickelt, indem er die Technikvarianten fexibel miteinander verband. So finden wir auf der Ordinate die vertikalen Komponenten (a=flach, b=Aufrichten es Oberkörpers, c=wellenförmiges Auf- und Abtauchen des Oberkörpers und nur d=Aufrichten des Oberkörpers) und auf der Abszisse die Gleitstärke (I=Gleit-, Y=Sportliche- und X=Überlappungstechnik). Nach einer Analyse der Schwimmtechnik würde Peaty zwischen I und Y sowie b und c in die Matrix eingetragen.

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