Kraft, spezifische

15. September 2023 K 0

Kraft, spezifische (strength, specific), Kraft der an einer bestimmten sportlichen Bewegung beteiligten Muskelgruppen, deren zielgerichtete Ausbildung meist dem Hochleistungstraining vorbehalten bleibt.

Im Schwimmen betrifft das vor allem die Muskelgruppen, die den Armzug und den Beinschlag/-stoß realisieren (auch: schwimmspezifische Kraft). Zwischen spezifischer Kraft und Schwimmgeschwindigkeit besteht ein gesicherter Zusammenhang (u.a.Johnson, Sharp & Hedrick, 1993; Bradshaw & Hoyle, 1993; Strass 1988, Costill 1999, Rudolph 2005, Collin 2010, Morouc’o 2011, Silva et al. 2014, Gromisz 2020, Sadowski 2020, Grigan et al. 2023, Sokolowski et al. 2023), der bereits bei Kindern nachgewiesen wurde (Kupper & Jüling 1967, Taylor et al. 2003). Die spezifische Kraft wird an Kraftarmzuggeräten an Land und mit dem „Schwimmkraft-Trainings- und Mess-System “ (bei Fahnemann) im Wasser direkt und am Schwimmwiderstandsgerät indirekt gemessen. Zum Training der spezifischen Kraft können ferner spezielle Latex –Zugseile („Strechcordz“) verwendet werden. Spezifisches Krafttraining zielt vor allem auf die Verbesserung der kontraktilen, oxydativen und elastischen Eigenschaften der Hauptmuskelgruppen und letztlich auf optimierte Umsetzung der Schwimmtechnik durch Kraftzuwachs (Witt, 2003). Da die Schwimmbewegung an Land nicht vollends imitiert werden kann, wird auch von „semispezifischer Kraft“ gesprochen (s. Exkurs). Beim Armzugtraining an der Schwimmbank waren Kraft- und Geschwindigkeitsmuster anders als beim freien Schwimmen oder an anderen Krafttrainingsgeräten (Daniel & Klauck, 1999). Deshalb sollten unterschiedliche Krafttrainingsgeräte gebraucht werden, um einen „schwimmfremden“ Bewegungsstereotyp zu vermeiden. Mit den Mitteln des spezifischen Krafttrainings können das Gesamtsystem (Schwimmwiderstandsgerät, Schwimmen am Gummi, Widerstandshose, mit Fallschirm) und Teilsysteme (Paddles, Flossen) angesprochen werden.

Schwimmlexikon-Kraft spezifische
Korrelation verschiedener Parameter der spezifischen Kraft bei
männlichen Kaderschwimmern (Rudolph, 2004)

  Schwimmlexikon-Kraftformen des Schwimmtrainings                             

Kraftformen des Schwimmtrainings (nach Witt, 2009)

Exkurs: Zum spezifischen Krafttraining des Schwimmers gibt es konträre Auffassungen. Einige Wissenschaftler beurteilen besonders kritisch das Training an isokinetischen Schwimmbänken, da wegen der fehlenden Übereinstimmung biomechanischer und physiologischer Faktoren keine spezifischen Arbeitsbedingungen möglich seien (Hilgner-Recht & Wirth, 2010, S.25). Leider ist diese kritische Haltung zur Zugbank (und damit zum spezifischen Kraftausdauertraining an Land) von Wirth mit in den „RTP-Kraft des DSV“ übernommen worden. Diese Auffassung steht aber im Widerspruch zu den Erkenntnissen von Wissenschaftlern des IAT (u.a. Witt, 2008) und Erfahrungen aus der Trainingspraxis mit hochrangigen Eliteschwimmern (u.a. Rudolph, 2007; Böller, 2007). Allerdings beschränkt sich die Diskussion vorwiegend auf die Zugkraft der Arme. Das ist im Sinne der Schwimmspezifik zu kurz gedacht. Bishop (2018) rät, sich auf drei Schlüsselbereiche zu konzentrieren: neben der „Zugkraft im Oberkörper“ auf die „Kraft im Unterkörper“ (Sprungkraft für Start/Wende) und die Stabilität der Gelenke.

Kaum untersucht wurde die relative Kraftübertragung von Land- auf Wasseraktionen (Vortriebskraft). In einer Studie konnten Santos et al. (2022) nachweisen, dass junge Wettkampfschwimmer, etwa 44 % ihrer Maximalkraft vom Land im Kraulschwimmen in das Wasser übertragen. Erst jüngste Forschungsdaten haben einen engen Zusammenhang zwischen biokinetischer Kraft und Sprintgeschwindigkeit im Kraulschwimmen gezeigt. (Grigan et al. 2023).

Mehr zum Thema:

  • Böller, R.(2007). Kraft- und Schnelligkeitstraining von Schwimmerinnen und Schwimmern. DSTV-Reihe, Bd.27, 115-127
  • Rudolph, K. (2007). Kombiniertes Training von Kraftbank und Strömungskanal. DSTV-Reihe, Bd.27, 106-114
  • Witt, M. (2014). Krafttraining des Schwimmers. In: Rudolph et al. Wege zum Topschwimmer. Hofmann-Schorndorf, 156-173
  • McLeod (2010) stellt in seinem Buch „Schwimmen Anatomie“ 74 Übungen vor, die weitgehend den typischen Teilbewegungen im Schwimmen entsprechen oder ihnen von ihrer Struktur sehr nahekommen. Es wird dargestellt, welche Muskeln in welcher Phase der Schwimmbewegung in einer der vier Schwimmlagen Beiträge zum Vortrieb leisten und die jeweilige Übung in der beabsichtigten Wirkung im schwimmtypischen Kontext erklärt (München: Copress Sport, 2010).

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