Delfinbewegung
Delfinbewegung (dolphin kicking), wellenförmige (undolatorische) Bewegung des Körpers (ähnlich der Schwanz- und Flossenbewegung des „Namensgebers“), die mit dem Abwärtsschlag der symmetrisch geführten relativ locker einwärts gedrehten Füße endet. Dabei erweist sich der zeitlich verschobene Einsatz der Bewegung in den distalen Gelenken als zusätzliche Vorbereitung der jeweiligen Muskelgruppen. Der Impuls für den Abwärtsschlag der Beine erfolgt aus der Hüfte, über Knie– und Fußgelenk bis zu den Füßen, denen 75-90% Anteil am Antrieb zugeschrieben werden (Prince, 2008). http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=93566627). EMG-Daten zeigten, dass sich das Aktivierungsprofil für die Gesäßmuskeln, die Oberschenkelmuskulatur, den Quadrizeps und die Wadenmuskeln einer phasischen Kontraktion annäherte, während sich das Aktivierungsprofil für die Lendenmuskeln einer tonischen Kontraktion annäherte (Elipot et al. 2018). Shen et al. (2022) identifizierten die Flexibilität der Plantarflexion des Knöchels als Moderator zwischen der Kniestreckerkraft (60°/s) und dem Delfinkick. →Prinzip der Anfangskraft
Ungerechts (1983) vergleicht die Kinematik der Delfinbewegung von Schwimmern und Delfinen. Danach sind Delfine in der Lage, symmetrische Abwärts– und Aufwärtsschläge durchzuführen, während Schwimmer wegen ihrer anatomischen Einschränkungen in der Aufwärtsbewegung relativ weniger effektiv sind. Nur Schwimmer, die ihre Knie überstrecken können, führen die Aufwärtsphase effektiv aus (Atkison et al. 2014). Es handelt sich um ein „komplexes Zusammenspiel zwischen Wirbelbildung und Zerstörung“ (Hochstein et al.2010, S.36). Da die Unterschenkel noch in der Aufwärtsbewegung sind, während im Hüftgelenk mit dem Abwärtsschlag begonnen wird, spricht man auch von einer zeitlichen Verschiebung der Teilbewegungen (Meinel & Schnabel, 2007, S.110). Während Schramm (1987, S. 106), die Schwingungsweite von Hüfte mit 5-7% und die vertikale Bewegungsweite der Füße mit 25% der Körperhöhe angibt (bestätigt 2009 durch Loebbecke et al. 2009), wird im Hochleistungstraining entsprechend der individuellen Voraussetzungen stärker variiert. Die Amplitude im „End-Effektor“ Fuß entspricht etwa einem Fünftel der Körperlänge (Hochstein & Blickhan, 2011). Dieser Amplitudenbereich von 0,2-0,3 Körperlängen gilt als feste (physikalische) Randbedingung, unabhängig von der Körpergröße und –form des Schwimmers bzw. der Bewegungsart. Dabei nutzen langsamere Schwimmer signifikant höhere Amplituden. Der optimale Bereich ist eine Frage der Balance zwischen Vortrieb und Widerstand und damit des Wassergefühls (Bewegungstechnik/Beweglichkeit)des Schwimmers. Dabei scheint die Reduzierung der Amplitude und die Erhöhung der Frequenz der beste Weg zu sein, die Schwimmgeschwindigkeit zu steigern (Hochstein et al. 2019). Bei der Delfinbewegung werden in den Übergängen höhere Frequenzen zu Gunsten kleiner vertikaler Bewegungsamplituden der Hüfte und der Beine beobachtet und nicht umgekehrt. Dabei ist eine stabile Rhythmisierung des Ab- und Aufwärtsschlages anzustreben (Kliche & Hildebrandt, 2002, Atkison et al. 2014). Obwohl der Abwärtsschlag stärker ist als die Aufwärtsbewegung, zeigt der Hüftpunkt in beiden Halbzyklen fast die gleiche durchschnittliche Schwimmgeschwindigkeit (Kliche & Hildebrandt 2002, Hochstein & Blickhan 2014).
Die Bezeichnung „Delfinbeine“ ist nicht korrekt, da es sich um eine Ganzkörperbewegung handelt, wobei aber eine ruhige Lage von Schulter und Kopf vorausgesetzt wird (häufiger Anfängerfehler).
Exkurs: Als Pankratov zu den Olympischen Spielen 1996 über 100 m Schmetterling Weltrekord schwamm, bewegten weniger die „0:51,27 min“ die Gemüter, sondern mehr die Tatsache, dass er die ersten 15m mit „Delfinbeine“ unter Wasser in 5,73 Sekunden zurücklegte, während die Krauler im Finale über 100m dafür 5,88 Sekunden brauchten. Pankratov nutzte den Umstand, dass in einer Tauchtiefe von 80-90 cm Körper höhere Geschwindigkeiten erreichen als an der Wasseroberfläche, was jeder Pinguin nutzt (https://www.youtube.com/watch?v=nTAOOAoOhFU). Inzwischen legen die schnellsten „Delphine“ den 15m-Startbereich in 5,28 Sekunden (Deibler 2013) zurück. Damit wurde die Delfinbewegung in den Übergängen zu einer wettkampfentscheidenden Größe, „weil der Vorteil einer höheren Geschwindigkeit im Übergang nicht mehr durch eine Geschwindigkeit in der zyklischen Bewegung der Schwimmart kompensiert werden kann“ (Küchler,2015, S.61). Das umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass z.B. bei einer 100m Strecke auf der Kurzbahn fast 60m und auf der Langbahn immerhin noch 30m in den Übergängen absolviert werden. Die Rekordverbesserungen in den letzten Jahren sind zumeist diesen schnelleren Übergängen geschuldet.
Inzwischen dominiert die Delfinbewegung die Übergänge in allen Schwimmarten und wird schon als „Fünfte Schwimmart“ geführt. Sie sollte deshalb als Grundfertigkeit des Sportschwimmers betrachtet und in allen Lagen beherrscht werden. Deshalb wurden „15m-Delfinbewegung“ mit in den Landesvielseitigkeitstest und die KLD des DSV aufgenommen. Dabei sollten folgend Anforderungen beachtet werden:
- gestreckte Ellenbogen,
- Kopf unter den Armen,
- Hände übereinander,
- 90°-Winkel im Knie zur Sicherung des kräftigen Beinschlags,
- Fußgelenke locker bis in die Zehenspitzen, eher etwas größere Amplitude (keine „Zitterschläge“).
Zudem werden hohe Anforderungen an die Konditionierung gestellt, begonnen bei der Beweglichkeit (insbesondere der Füße) bis zur Kräftigung der beteiligten Muskelschlingen. Erinnert sei an die Übungen von Phelps mit Gewichtgürtel in vertikaler Wasserlage (https://www.youtube.com/watch?v=AZb9Y3Soa_Q). In einer Studie mit Leistungsschwimmern wurde nachgewiesen, dass vier maximale Wiederholungen der halben Kniebeuge auf einem Trägheitsschwungrad (PAPE) zu schnelleren Zeiten Unterwasser über 10m führten (Crespo et al. 2021).
Hinzu kommt die Konsequenz im Wassertraining: Eine Wende ohne Delfinbewegung bis zur 15m-Marke (ausgenommen Brust mit einem Kick) ist keine Wende! Die weltbesten Schwimmer erreichen auf den ersten 15m mit der Delfinbewegung im Übergang Zeiten unter 5,5 sec (Männer) und 6,6 sec (Frauen).
Besonders im Nachwuchsbereich treten folgende Fehler auf (Döttling & Brandl, 2015):
- Kopf und Arme gehen mit der Bewegung mit,
- das Gesäß weicht der Bewegung aus (mangelnde Rumpfstabilität führt dazu, dass der Kraftimpuls nicht an die Beine weitergeleitet wird),
- die Knie schlagen kreisförmig,
- Asymmetrie der Beine,
- die Fersen werden zu weit angezogen,
- „Zitteraal“ – zu geringe Amplitude bei hoher Frequenz (S.70/71).
Video: https://www.youtube.com/watch?v=bu1SVg2zW_k (Zugriff am 10.01.2023)
Nach einer Befragung sind für Trainer drei Momente beim Verbessern der Delfinbewegung wichtig: Kickfrequenz, Kicksymmetrie und Koordination. Dabei bereitet die Koordination aufgrund der körperlichen Einschränkungen und individuellen Unterschiede der Athleten sowie der Schwierigkeiten bei der Schulung der Propriozeption die größten Schwierigkeiten (Thompson et al. 2022).
Mehr zum Thema: Hochstein et al. (2019). Experimentelle und numerische Strömungs- sowie kinematische Untersuchungen der Unterwasser-Delphinbewegung. DSTV-Reihe Bd. 44, 5-20