Deliberate practice
Deliberate practice (engl. „praxisbetont“); im übertragenem Sinne zielgerichtetes bewusstes Üben, „eine hoch organisierte, hoch konzentriert durchgeführte Lernaktivität, welche stets auf die Verbesserung der eigenen Leistung gerichtet ist“ (Ziegler, 2008, S. 41). Die aus Studien bei Musikern entwickelte Theorie geht von einer Faustformel aus, wonach mindestens 10.000 Stunden geübt und damit in der Regel frühzeitig begonnen werden muss, um zu exzellenten Leistungen zu gelangen (z.B. Amadeus Mozart). Wenn auch die 10.000 Stunden eher ein Mittelwert sind (im Sport hat manches Talent weniger, andere mehr gebraucht, um zur Weltspitze zu gelangen), so setzen Spitzenleistungen ein hohes Übungsquantum voraus oder wie der Volksmund sagt „Übung macht den Meister“. Aber das allein reicht nicht aus. Es bedarf eines unterstützenden Umfeldes (→Talentförderung, →Eltern, →Sportförderung) und bewussten sowie zielgerichteten Übens, d.h. in Anlehnung an Ziegler, 2008, S.42):
- Die Trainingskonzeption muss auf Lernzuwächse ausgerichtet sein (Prinzip der Steigerung der Trainingsbelastung),
- das Belastungsmaß des Trainings muss dem individuellen Leistungsstand angepasst sein, das heißt, genau einen Lernschritt darüber liegen (Prinzip der Folgerichtigkeit und Abgestimmtheit in der Ausbildung der →Leistungsvoraussetzungen),
- der Sportler erhält ein aussagekräftiges Feedback, das ihm den Erfolg beziehungsweise Misserfolg seines Lernens klar anzeigt (Prinzip der permanenten →Trainingssteuerung) und
- es bestehend ausreichend Trainingsmöglichkeiten.
Deliberate practice stellt somit hohe Anforderungen an Trainer und Sportler und kann erst durch individuelle Führung im Hochleistungstraining optimal umgesetzt werden. Das betrifft insbesondere das Erlernen neuer Technikelemente (→Neulernen, →Überlernen) oder die Steigerung konditioneller Belastungen.
Wir verstehen also unter „deliberate practice“ im Sport:
- langfristige und zielgerichtete Vorbereitung auf hohe Leistungen in einer Sportart,
- unter permanenter Führung durch einen Trainer (bzw. Betreuerteam),
- Anforderungen über dem aktuellen Leistungsniveau (Belastungssteigerung),
- optimale Förderbedingungen,
- hohe Trainingsumfänge, systematisch gesteigert über 10 Jahre.
Exkurs: Das einst von Ericsson et al (1993) publizierte zielgerichtete Üben muss nicht notgedrungen Vielseitigkeit und Nachhaltigkeit ausschließen. Wenn nur „18 % der Variation in der sportlichen Leistung durch akkumuliertes absichtliches Üben erklärt werden können“ (Bucher-Sandbakk et al. 2023), dann erklärt sich das aus einer Einengung des Trainingsprozesses. Dass deliberate practice nicht automatisch zur frühzeitigen Spezialisierung führen muss, haben wir mit der Nachwuchskonzeption des DSV begründet. Das angeblich deliberate practice kennzeichnende Merkmal der in sich nicht so freudvollen Übungen entspricht nicht unseren Erfahrungen, da Freude hier auf eine andere Gefühlsebene verlagert wird (s. auch Güllich et al. 2020). Wer einmal eine Schwimmtechnik bis zur „Blüte“ entwickelt und empfunden hat (→Flow) kann diese Auffassung nicht teilen. Und das intensive Training scheinen die beobachtenden Wissenschaftler als belastender wahrzunehmen als die jungen Sportler selbst. →Spezialisierung, rechtzeitige, →Didaktik, →Vielseitigkeit, →deliberate play
Motto für japanische Nachwuchstalente in Vorbereitung auf Olympische Spiele: (2 x 7 x 50) x 10 = (2 TE täglich x 7 Tage x 50 Wochen) x 10 Jahre
- Video (engl.): https://www.coursera.org/lecture/youth-sports/what-is-deliberate-play-AfAaa (Zugriff am 10.01.2019)
- Exeter, Jowett, Broderick, Murphy, Fulcher & Praet (2022). Sport specialisation in young athletes (position statement). Australian Sports Medicine Collaborative (ASMC)- Zugriff 28.11.24