Kommerzialisierung (des Sports)
Kommerzialisierung (des Sports) (commercialization), Kommerz wurde ursprünglich synonym für Handel verwendet, heute meist abwertend im Sinne eines allein auf Gewinn gerichteten Interesses. Übertragen: Unterordnung des Sports unter wirtschaftliche Interessen.
Der Staat kann als „Hauptsponsor“ des Leistungssports die zunehmenden Anforderungen nicht mehr sichern. Deshalb ist der Leistungssport auf die Unterstützung von Wirtschaft und Medien angewiesen. Die Vermarktung sportlicher Erfolge war bis Mitte der 1980er Jahre verboten. Heute tritt die Kommerzialisierung des Sports in vielen Facetten auf und beschränkt sich nicht mehr auf den Topsportler als Ware, sondern erfasst den gesamten organisierten Sport, wobei besonders die traditionellen Sportverbände und Vereine zunehmend gezwungen sind, ihre ökonomischen Potentiale auszuschöpfen. Viele sehen in der Kommerzialisierung noch ein notwendiges Übel, einige bereits ein Kriterium zum Erfolg. Sie wird vor allem durch den „Sport-Medien-Komplex“ befördert, einer immer enger werdenden Verflechtung von Medien, Sportverbänden und Werbung. Das hat aber auch seinen Preis, wenn zum Beispiel die Olympischen Finale für die Sportler zur Unzeit stattfinden, weil der Hauptsponsor (US-Fernsehen) das so bestimmt. Auch der DSV ist im ständigen Ringen um Gelder von ARD und ZDF (Übertragungsrechte für Schwimmen), was bei der sinkenden Popularität unserer Sportart recht müßig ist.
Aus einer Analyse zur deutschen Sportwirtschaft, die dem Sportausschuss des Bundestages am 14.12.2011 vorlag;
- Der aktive Sportkonsum beträgt rund 80 Milliarden Euro im Jahr.
- Der passive Sportkonsum umfasst knapp zehn Milliarden Euro im Jahr.
- Jedes dritte Unternehmen unterstützt den Sport.
- Durch Sponsoring erhält der Breitensport rund zwei Milliarden Euro und der Spitzensport rund eine Milliarde Euro im Jahr.
- Die Werbeausgaben der Sportgüterhersteller betragen knapp eine Milliarde Euro.
- Die Aufwendungen für Medienrechte haben einen Umfang von gut einer Milliarde Euro.
(https://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Monatsbericht/Auszuege/02-2012-I-4,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf: Zugriff am 28.07.2016). Wir müssen mit den Geistern leben, die wir gerufen haben. →Deutsche Sporthilfe, →Karriereplanung, →Sponsoring, →Markt, →Marketing
Die stetig wachsende Kommerzialisierung des Leistungssports erfordert aber auch eine Anpassung der Verträge zwischen Trainern und Vereinen/Verbänden bis zu Fragen zum Status des Trainers. Diese Situation will der DOSB mit dem ehrgeizigen Projekt „Vision Trainer 2026“ lösen, wonach z.B. die Arbeitsbedingungen für haupt- und nebenberufliche Trainer*innen hoch attraktiv werden sollen (https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/ausschreibung-zum-projekt-trainerin-sportdeutschland/ – Zugriff 30.11.2019). Papier ist geduldig (s. „Trainer-Offensive„) .
Exkurs: Die Geschichte des Leistungssports geht mit einer Erosion des Amateurideals einher, wonach es zunächst verpönt bis verboten war, im und mit dem Sport Geld zu verdienen. Durch Staats-, College-, Militär-, Stiftungs- bzw. Industrieamateure entstand ein Scheinamateurismus. Folglich verzichtete 1971 das IOC mit der Regel 26 auf den Amateurbegriff, die 1981 abermals gelockert wurde. 1990 konnten auch Berufssportler an den Spielen teilnehmen. Auf Druck des Bundeskartellamtes lockern IOC und DOSB zu den Olympischen Spielen 2010 die bisher strengen Werbebeschränkungen (Regel 40) für Athleten und Unternehmen.
Im Schwimmen traten 2017 erstmals im Rahmen der International Swimming League (ISL) gemischte Teams mit Profis wie Sarah Sjöström und Chad le Clos gegen Auswahlmannschaften aus Italien, Australien und den USA an. Für den Auftaktwettkampf der Serie am 22. und 23. Dezember 2018 hatten die Veranstalter 2,1 Millionen Dollar Preisgeld ausgelobt. Jedes Team besteht aus zwölf Frauen und Männern. Gegründet hat die Liga der ukrainische Millionär Grigorshin mit dem Ziel, Schwimmen in den internationalen Profisport einzureihen. Die Teams sind nicht mit herkömmlichen Vereinen identisch, sondern werden ähnlich wie im Profifußball „zusammengekauft“. Da mit der ISL ein Konkurrent zur FINA heranwächst, zaubert diese mit den „FINA Champions Swim Series“FINA einen neuen Wettkampf mit einem Preisgeld von 3,9 Millionen US-Dollar aus dem Hut. Es bleibt ein Run um die Geldtöpfe. Die Folgen lassen sich erahnen: so erklärte die absolute Höhe des Preisgeldes einen nicht unerheblichen Teil der Varianz der Dopingaffinität in verschiedenen Sportarten (36 %) (Frenger et al. 2012).
„Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Bertold Brecht (1898-1956) Deutscher Dramatiker und Lyriker
Mehr zum Thema: http://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/deutsche-fernsehgeschichte-in-ost-und-west/245748/kommerzialisierung-des-sports (Zugriff am 30.11.2019)