Bezugsperson

22. März 2017 B 0

Bezugsperson (reference person), Person, zu der eine besondere Gefühlsbindung („Urvertrauen“) besteht. „Die Bindung an eine Bezugsperson ist der erste tiefgreifende emotionale Prozess, der das Gehirn eines Neugeborenen beeinflusst, und diese Erfahrung ist grundlegend, da Emotionen auch an allen späteren Lernprozessen beteiligt sind. Die emotionale Bindung eines Kleinkinds zu seinen Eltern hat also eine hohe Bedeutung für dessen weitere Entwicklung, denn diese ist die beste Voraussetzung für ein Kind, auch im Jugend- oder Erwachsenenalter Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen zu können.“ (Stangel, W.: Die frühkindliche Bindung an die Bezugsperson.(http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ERZIEHUNG/Bindung.shtml).

Im Leistungssport stellen Trainer die zentrale Bezugsperson für die Athleten, die Trainingsgruppe oder die Mannschaft dar (Thiel et al. 2009). Eine Studie mit Kindern in verschiedenen Sportarten zeigte ein „Bild des Leistungssports als eines Handlungs- und Beziehungskontextes, den die Kinder freiwillig und motiviert aufsuchen und in dem sie sich an herausfordernden Aufgaben erproben, die teils wegen ihrer Schwierigkeit und Gefährlichkeit, teils wegen ihres Wettkampfcharakters intensive Affekte mobilisieren“ (Richartz et al. 2013, S.834).

Schon im Nachwuchstraining bauen Kinder leichter eine gute Beziehung zu neuen Bezugspersonen (Lehrer, Trainer, Erzieher) auf, wenn sie spüren, dass die Erwachsenen sich verstehen und einen guten Kontakt zueinander gefunden haben. Daraus ergibt sich besonders beim Übergang an eine Sportschule mit Internatsunterbringung (→Eliteschule des Sports) eine hohe Verantwortung für den Trainer in seiner Zusammenarbeit mit Schule und Eltern. Dabei sollte jeglicher Konkurrenzgedanke gemieden werden. Kinder reagieren wie Seismographen und spüren sehr schnell ein ambivalentes Verhalten von Trainer wie auch Eltern. Da die Bezugsperson Orientierungsgrundlage für Verhalten, Handlungen und Meinungen bildet, kommt man über sie auch einfacher an verschlossene Sportler. Mangel an Bezugspersonen kann zu Kontaktarmut und Isolation führen. →Beziehung, →Empathie, →Sozialkompetenz, →Freundschaft, 

 

Exkurs: „Natürlich sind Sportler im Wettkampf auf sich allein gestellt, aber es gibt natürlich auch während eines Wettkampfs, der sich über gut eine Stunde oder manchmal gar länger erstreckt, Möglichkeiten der Kommunikation mit der zentralen sportlichen und oftmals auch psychologischen Bezugsperson, dem Trainer. Das Zusammenspiel von Sportlern und Trainern im Training und Wettkampf gründet sich auf Vertrauen. Der Trainer ist die Person, mit der gemeinsam das Training geplant und ausgewertet wird, mit dem über sportliche, psychische oder auch persönliche Themen und Probleme kommuniziert wird, mit dem gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Dazu bedarf es eines von beiden Partnern angenommenen und gelebten Grads an Offenheit und mit zunehmendem Alter auch Selbstständigkeit. Der anfänglich vom Trainer sportlich und in der Persönlichkeitsentwicklung geführte Athlet wird zunehmend selbstständiger, entwickelt eigene Ideen und Vorschläge und bringt diese auch selbstbewusst in die Kommunikation ein. Diese Prozesse stellen für alle eine Herausforderung dar, gilt es doch, in den verschiedenen Entwicklungsphasen das Verhältnis und die Aufgabenverteilung immer wieder neu zu justieren, Verantwortung anzunehmen oder auch abzugeben.(Steffi Nerius, Weltmeisterin im Speerwurf, aus Nerius & Himmelrath (2011). Der ganz große Wurf. Mentale Strategien einer Weltmeisterin im Alltag nutzen. Ostfildern Patmos-Verl.)

Mehr zum Thema: Richartz, Krapf & Hoffmann (2013). Die Qualität der Trainer-Kind-Beziehung aus der Perspektive der Bindungsforschung. Bindungen und bindungstypische Prozesse bei Kindern im Leistungssport, Z.f. Pädagogik (59)6, 826-836 (https://www.pedocs.de/volltexte/2016/11996/pdf/ZfPaed_2013_6_Richartz_et_al_Qualitaet_der_Trainer_KInd_Beziehung.pdf, Zugriff am 29.11.2018)

 

 


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