Radikale, freie
Radikale, freie (free radicals), lat. radicula „Würzelchen“; Bestandteile von Molekülen, die als ungebundene Radikale (besonders reaktionsfreudige Atome oder Moleküle) biologisches Gewebe in „oxidativen Stress“ versetzen und somit zerstören können. In dem Sinne Erklärungsmodell für das Altern aller Organismen.
Sie entstehen auch bei intensiven Trainingsbelastungen durch Überlastung der Verbrennungsprozesse in den Mitochondrien, können aber auch durch Nahrungsmittel in den Körper gelangen. Neben körpereigenen Abwehrmitteln (→Antigene) spielen Antioxidantien in der Bekämpfung der freien Radikale eine Rolle. Diese Substanzen sind auch als Mittel gegen das „Altern“ („Anti-Aging“) im Gespräch. Dank der Regenbogenpresse haben freie Radikale einen besonders schlechten Ruf, aber auch hier macht die Dosis das Gift. Freie Radikale produziert unser Körper bei der Zellatmung oder Immunreaktion (→Immunsystem) selbst.
Wurde in der Vergangenheit die Bedeutung von freien Radikalen in erster Linie in der Herbeiführung von oxidativem Stress gesehen, so rückte in den letzten Jahren vermehrt auch ihre Rolle als Signal- und Modulatormoleküle in den Vordergrund. Im Zusammenhang mit körperlicher Belastung wird dabei ihr modulierender Einfluss auf die kontraktile Funktion des Skelettmuskels und die Aktivierung und Inhibition (Hemmung) von intrazellulären Signalwegen und Transkriptionsprozessen, sowie über eine Modulation der intrazellulären Kalziumkonzentration betont. Regelmäßiges Training führt zu einer Anpassung gegenüber RONS* protektiven Mechanismen wie antioxidativen Enzymen und Stressproteinen (Nies et al. 2002, S.345).
*reactive oxygen and nitrogen species
Trotzdem gibt es keine eindeutigen Erkenntnisse zum optimalen Training für den Schutz vor freien Radikalen. Dies liegt zum einen daran, dass eine Reihe von weiteren Faktoren mit in die Bildung, die Wirkung und den Schutz vor freien Radikalen hineinspielen, wie etwa die Ernährung, das Alter und insbesondere auch das Geschlecht, zum anderen aber auch daran, dass die kurzlebigen freien Radikale nur sehr schwierig im lebenden Organismus (in vivo) nachgewiesen werden können und die Übertragbarkeit vom Tiermodell auf den Menschen eingeschränkt ist (Bloch & Schmidt, 2004). Bei Berücksichtigung der quantitativen Aspekte der Redoxbiologie (→https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/redoxreaktionen/55953-Zugriff 13.10.22) können die „Grenzen“ zwischen zellulärer Signalgebung und Stress effizienter definiert werden (Nikolaidis et al. 2020).
Gegenwärtig sind aber alle Empfehlungen vom Konjunktiv geprägt. So könnte in bestimmten Kontexten, wie z. B. bei Sportarten, die durch hohe Intensität und/oder erschöpfende Programme gekennzeichnet sind, eine Supplementierung mit Antioxidantien angebracht sein, um die schädlichen Auswirkungen dieser Art von Training zu vermeiden oder zu verringern (Antonioni et al. 2019).