Muskelverkürzung
Muskelverkürzung (muscle shortening), hier ist nicht die Verkürzung bei isotonischer Muskelkontraktion gemeint, sondern eine bestimmte Veränderung der Grundspannung (Tonus) des Muskels bis zur schmerzhaften Dauerspannung, die durch eine reflektorische Dauererregung aufrechterhalten wird (→Muskelspindel). Im Extremfall führt sie zu schmerzhaften Fehlhaltungen und Bewegungseinschränkungen (Muskelkontraktur). Bei der Auswahl sportlicher Übungen sind die unterschiedlichen Muskelstrukturen zu beachten. So wird zwischen plastischem Tonus (vorwiegend bei glatter Muskulatur) und kontraktilem Tonus (ausschließlich Skelettmuskulatur) unterschieden. Die tonische Skelettmuskulatur (Haltemuskulatur) ist gegenüber der phasischen Muskulatur (Bewegungsmuskulatur) besser durchblutet, ausdauernder und schwächt langsamer ab, neigt aber zur Verkürzung (s. Tab.). Verkürzte Muskulatur verstärkt das Verletzungsrisiko, verschlechtert die Koordination, hat negativen Einfluss auf die Kraft, auf die Körperstatik und Körperhaltung (Bolz, 2006). →Dysbalancen, muskuläre, →Funktionskreise, →Stiffness
Beispiel: Häufig werden bei Rumpfhebungen zur Kräftigung der Bauchmuskulatur noch die Füße fixiert. Dadurch erfährt aber der bereits zur Verkürzung neigende Lenden-Darmbeinmuskel eine weitere Verkürzung. Das Gegenteil wird erreicht.
Fälschlicherweise werden in der Literatur die Begriffe Fähigkeit zu dehnen und Muskellänge synonym verwendet. Die Dehnfähigkeit beschreibt, wie sehr Ursprung und Ansatz eines Muskels voneinander getrennt werden können. Muskellänge bezeichnet die physiologische funktionelle Länge eines Muskels, die durch den Winkel der Gelenkstellung bzw. den Abstand vom Ursprung zum Ansatz definiert ist, bei welchen sich Aktin– und Myosin-Komplex optimal überschneiden, was die Hervorbringung eines maximalen Drehmoments ermöglicht (Zahnd 2004).
Exkurs: Lange Zeit wurde geleugnet, dass sich ein Muskel auch strukturell verkürzen könne: „Die strukturelle Länge eines Muskels per se ist immer gleich, denn eine Veränderung der Anzahl und Länge der Sarkomere in Serienschaltung konnte in vivo beim Menschen bisher nicht nachgewiesen werden“ (Moosburger s.u.). Die Verkürzung (besser Unbeweglichkeit) ist aber einer Kombination neurophysiologischer und struktureller Effekte geschuldet. Zum einen bietet das Muskelgewebe an sich einen Widerstand, zum anderen spielt aber auch das ihn umgebende und allgegenwärtige Bindegewebe eine Rolle. Im Gegensatz zum Muskelgewebe kann dieses nämlich verkürzen, „verkleben“, Fasern vermehren (fibrotisieren) und weitere strukturelle Veränderungen (Heymann & Stecco, 2016) aufweisen, die das Gleiten der Strukturen bzw. eine Dehnung des Gewebes selbstverständlich erschweren. (https://www.elementary-motion.de/2017/01/03/mythos-muskelverkuerzung-ueber-stretching-und-beweglichkeit – Zugriff 24.11.20). Verschiedene Studien zeigen auch, dass sich Muskeln an die Arbeitslänge, in der sie die überwiegende Zeit gehalten werden und Arbeit verrichten, anpassen (Gewohnheitshaltung). Diskutiert wird besonders über den Einfluss von Dehnen auf Muskelverkürzung. „Die Vorstellung, dass ein Muskel „verkürzen“ würde, wenn er nicht regelmäßig gedehnt wird, ist falsch. Ebenso wenig lässt sich eine „Muskelverkürzung“ durch Dehnen beheben. Vielmehr gilt es, muskuläre Dysbalancen im Sinne von Kraftdefiziten und ungleichen Ruhespannungen zu beheben und Agonist/Antagonist über einen möglichst großen ROM (range of motion = Bewegungsumfang) arbeiten zu lassen.“ (www.dr-moosburger.at/pub/pub046.pdf). Allerdings konnte Williams (1990) bei Mäusen nachweisen, dass nach einer Dehnung über 30 Minuten (!) Muskelverkürzungen behoben werden konnten. Welcher Arbeitgeber billigt diesen Zeitaufwand? Besser scheint doch bei einseitiger Körperhaltung wiederholt die Position zu wechseln.
The best posture is your next posture.
- Video: https://www.youtube.com/watch?v=mHW4hnT8Fmk – Zugriff 24.11.20
- Video: https://func-fit.de/strukturelle-muskelverkuerzungen/-Zugriff 24.11.20