Akzeleration

15. März 2017 A 0

Akzeleration (acceleration), lat.  acceleratio „Beschleunigung“; beschleunigte psychische und/oder physische Entwicklung, einmal →phylogenetisch als Vorverlegung des Wachstumsstarts, Beschleunigung des Wachstumsablaufs und absolute Steigerung der Endergebnisse des Wachstums (Bennholdt-Thomson, 1941), auch als säkulare Akzeleration bezeichnet, zum anderen ontogenetisch als Vorverlegung der körperlichen Reife (individuelle Akzeleration), weshalb man auch von Frühentwicklung spricht. Die säkulare Akzeleration ist seit den siebziger Jahren zum Stillstand gekommen, weil wahrscheinlich ein Optimum der Ernährung und Infektbekämpfung erreicht worden ist. Die individuelle Akzeleration kann angeboren (durch Eltern oder hormonell) oder erworben (als Nebenwirkungen von schwereren Krankheiten), dauerhaft oder nur vorübergehend sein und ist bei der Trainingsbelastung und Talentauswahl zu berücksichtigen.

Der akzelerierte Sportler hat gegenüber den Normal- und Spätentwicklern konditionell Vorteile und dominiert dadurch Wettbewerbe im Kindes– und Jugendalter (Brzank et al. 1989,  Rudolph 1996, Wiedner 1998, Ostojic 2017). Wird dies bei der Förderung nicht berücksichtigt, dann kann es passieren, dass die Akzelerierten gefördert werden, aber nicht die Talente. Gegensatz: →Retardation. Dezeleration, →Reifung, →Alter, biologisches, →Aufholwachstum, →Körperhöhe

Exkurs: Mit dem Hinweis, bei der Talentförderung das biologische Alter des Sportlers zu berücksichtigen, liegen wir zwar wissenschaftlich „auf Kurs“, lassen aber den Trainer trotzdem „im Regen stehen“, da die gängigen Methoden Spezialisten vorbehalten sind und zudem hinsichtlich des Gütekriteriums Objektivität deutliche Mängel zeigen. Den anthropometrischen Verfahren ist gemeinsam, „dass sie mit der Körperhöhe letztlich alle nur ein, die individuelle biologische Entwicklung umweltneutral kennzeichnendes Merkmal erfassen, dessen finale Ausprägung darüber hinaus unbekannt ist. Die Bezüge zur biologischen Entwicklung sind von daher immer nur mittelbar und Aussagen zum Entwicklungstand rein empirische. Auf dieser Basis der hier verfahrensspezifisch ermittelten Indizes Prognosen zu stellen, erscheint entsprechend problematisch“ (Nicolaus & Pfeiffer 1998). Aber auch wenn die Wissenschaft an ihre Grenzen gerät, sollte man „das Auge des Trainers“ nicht unterschätzen (man erkennt den Frühentwickler in der Einheit von körperbaulicher Entwicklung und konditionellen Eigenschaften, besonders den Kraftfähigkeiten). Auf alle Fälle erfordert das unterschiedliche Reifeniveau der Sportler neben pädagogischem Gespür fundiertes Kenntnisse über die Entwicklungs- und Reifungsvorgänge, um Fehleinschätzungen zu vermeiden. →Wachstumskurven

„Akzeleration: Die Jugend wird immer kürzer, das Alter immer länger“ Ernst Reinhardt (*1932) Schweizer Publizist

Mehr zum Thema: http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/akzeleration/522


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