Kraulschwimmen
Kraulschwimmen (crawl; freestyle), eine der vier wettkampfmäßig betriebenen Schwimmarten, die nicht nur die Wettkämpfe (mit 50m bis 25 km größte Bandbreite), sondern auch das Training dominiert, da die Ausdauerumfänge vorwiegend „in Kraul“ absolviert werden. Damit ist es die Schwimmart, die jeder Leistungsschwimmer unabhängig von seiner Spezialisierung beherrschen sollte.
Historie: Das Kraulschwimmen entstand aus eine Kombination von Beinbewegung des Brustschwimmens („Brustbeine“) und der „Hand-über-Hand“ – Armführung. Einen Wechselschlag der Beine zeigten erstmals australische Schwimmer bei den Olympischen Spielen 1908 und 1912, wobei der Schlag hauptsächlich mit dem Unterschenkel erfolgte und der Fußrist auf die Wasseroberfläche schlug. Den Kopf hielten sie noch hoch über das Wasser. In der Folge, besonders durch amerikanische Einflüsse, wurde die gesamte Lage flacher und die Beinbewegung ging von der Hüfte aus. Mit dieser Technik schwamm „Tarzan“ John Weißmüller erstmals die 100m unter einer Minute. Der Armzug war räumlich lang und die Bewegungsbahn der Hand relativ geradlinig. Die Beinbewegung verlief völlig unter Wasser. In den 30er Jahren wurde noch die „Aufwärtsbeinschlag-Technik“ angewandt, weil man annahm, dass besonders der Aufwärtsschlag größeren Vortrieb bringen würde. Bei den Spielen 1932 und 1936 waren japanische Schwimmer erfolgreich, die die Arme nach dem „Prinzip des Einholens“ bewegten, d.h. in dem Moment, wenn ein Arm in das Wasser tauchte, begann der andere gerade seine Unterwasserbewegung. Der Körper war dabei deutlich angestellt und die Beinbewegung sehr intensiv. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Element des „Einholens“ in der Bewegungskoordination der Arme verdrängt bis es in den 90iger Jahren durch die Australier (Thorpe) wieder sehr erfolgreich angewendet wurde. Nach vielem Hin und Her über die Anzahl der Beinschläge pro Armzug, hat sich die Technik der Sechserkoordination (→Sechserschlag) durchgesetzt. Lediglich in den längeren Strecken erhielten die Beinbewegungen eine kompensierende Funktion. Teilweise wurden die Beine überkreuz geschlagen als Weiterentwicklung der scherenartigen Beinbewegung mit der der Engländer Trudgen 1875 erstmals antrat. Bei den Spielen 1956 in Melbourne zeigten die australischen Schwimmer ein Kraulschwimmen, das auch heute noch in seinen Grundzügen bestimmend ist. Sie hatten den Armzug durch die Ellenbogen-vorn-Haltung verstärkt und verlängert, zumal sie sich noch leicht auf die Seite drehten und so die starke Rumpfmuskulatur mit einbezogen. Wegen der verschiedenen Streckenlängen und damit unterschiedlichen Anforderungen an Kraft und Ausdauer haben sich verschiedene Koordinationsformen entwickelt, die sich hauptsächlich durch die Anzahl der Beinschläge, der weniger oder stärker gebeugten Armführung und der Atemhäufigkeit unterscheiden.
Wettkampfbestimmungen:
Mit Ausnahme von Lagenstaffeln und im Lagenschwimmen ist beim Freistischwimmen eine beliebige Wahl der Schwimmart erlaubt. Ein Teil des Körpers muss während des gesamten Wettkampfes die Wasseroberfläche durchbrechen, außer im Bereich von 15m nach Start und Wende (§126, WB des DSV).
Technik (Text und Aufnahmen von Bügner, OSP Hamburg/Schleswig-Holstein; swimpics):
Wasserlage: Allen Stilvarianten gemeinsam ist das Ziel einer hohen Wasserlage zur Gewährleistung einer strömungsgünstigen Ausgangsposition für die Arm- und Beinbewegung. Der Rumpf ist leicht zur Wasserlinie angestellt und es findet eine Rotation der Schulter um die Körperlängsachse statt (→ Ganzkörperbewegung). Die Wasserlinie befindet sich auf Höhe der Stirn (K-Bild 1).
Atmung:: Im Wettkampf sollte die Atmung variabel an die Streckenlänge angepasst werden, da das kardio-pulmonare System in Abhängigkeit von den Belastungsbedingungen die optimale Atemfrequenz und das optimale Atemzugvolumen wählt. Bei den 50m-Strecken ist es aufgrund strömungstechnischer Überlegungen vorteilhaft, möglichst wenig zu atmen. Ansonsten lassen sich keinerlei Empfehlungen zur Atemfrequenz geben. Um möglichst ökonomisch die Atemfrequenz im Wettkampf einzusetzen, ist jedoch ein Atemfrequenztraining in der täglichen Praxis empfehlenswert. Bei der Atmung wird der Kopf am Ende der Druckphase zur Seite gedreht. Es wird aktiv durch Mund und Nase ein- sowie ausgeatmet.
Beinbewegung;: Für die Beckenschwimmer ist eine durchgehende 6er-Beinbewegung anzustreben. Bei den Langstreckenschwimmern wird die Vortriebsleistung der Beinbewegung zugunsten des Auftriebes und der Stabilisation verringert, was sich in einer 2er- oder 4er-Beinbewegung zeigt. In qualitativer Hinsicht unterscheidet sich die 2er-/4er-Beinbewegung von der 6er-Beinbewegung: In Koordination mit der Armbewegung kommt es zwangsläufig zu Pausen und häufig wird lediglich die Abwärtsbewegung betont. Charakteristisch für eine effektive 6er-Beinbewegung ist der ununterbrochene Bewegungsfluss bei gleichzeitig betonter Auf- und Abwärtsbewegung. Allen Varianten gemeinsam ist der Bewegungsansatz im Rumpf, der sich über den Ober- und Unterschenkel bis zu den leicht einwärts gedrehten lockeren Fußgelenken fortsetzt. Die Füße sind in der Abwärtsbewegung überstreckt und in der Aufwärtsbewegung gestreckt.
Armbewegung, Technikvariante 1: Das ausgeprägte S-Zugmuster bei hoher Ellbogen-vor-Haltung findet sich im Beckenschwimmen am häufigsten wieder: Der lange Antriebsweg wird durch ein Eintauchen der Hand in Verlängerung der Schulter (Hand taucht vor dem Ellbogen ein), einem aktiven Wasserfassen (Anstellen von Hand und Unterarm) sowie einem frühzeitigem Beugen im Ellbogen (→Ellbogen-vor-Haltung) mit Seitwärts-Abwärts-Anteil während der Zugphase und einem Abdruck bis zum Oberschenkel mit Seitwärts-Aufwärts-Anteil gewährleistet. Die Geschwindigkeit der Hand unter Wasser nimmt dabei stetig zu. →Schwimmerschulter
Armbewegung, Technikvariante 2:: Im Sprintbereich hat sich noch eine andere Variante etabliert: Während der Zugphase wird das Ellbogengelenk später gebeugt und der Arm insgesamt geradliniger durch das Wasser geführt. Der Nachteil eines verkürzten Antriebsweges wird durch größere Handgeschwindigkeiten bei höheren Bewegungsfrequenzen kompensiert. Für das Anfängerschwimmen empfiehlt es sich, mit dem S-Zug zu beginnen, da eine Umgewöhnung von einem geradlinigen Armzug auf einen S-Zug zeitaufwendig ist und für die Realisierung des gradlinigen Armzuges hohe Krafteinsätze notwendig sind (s. https://www.youtube.com/watch?v=OPGl0WE76p4).
Armbewegung, Technikvariante 3:: Die Freiwasserschwimmer haben nicht nur eine längere Wettkampfdauer zu überwinden, sondern sind auch Wellen und Strömungen ausgesetzt. Die Wettkampfform hat dazu geführt, dass auch der Armzug beim Freiwasserschwimmen entsprechend angepasst wurde. Eine ausgeprägte Ellbogen-vor-Haltung und lange Druckphasen sind über die langen Zeiträume nicht zu realisieren. Dennoch gilt für diese Athleten genauso wie für die Beckenschwimmer, dass Hand und Unterarm in der Unterwasserphase möglichst optimal angestellt werden sollten. Dies ist dann gewährleistet, wenn die Fingerspitzen durchgehend zum Boden zeigen. In der Rückholphase als regenerativer Anteil des Armzuges sollte grundsätzlich der Ellbogen die Bewegung führen (lockeres Handgelenk).
Koordination: Große individuelle Ausprägungen zeigen sich auch in der Koordination von Arm- und Beinbewegung bzw. Arm-Arm-Bewegung. Die anzustrebende 6er-Beinbewegung wird im Wesentlichen in zwei Varianten mit der Armbewegung koordiniert, was zugleich auch die Arm-Arm-Koordination beeinflusst. Geringe zeitliche Verschiebungen sind allerdings auch bei diesen zwei Varianten möglich.
Koordination, Technikvariante 1: Einerseits erfolgt die Abwärtsbewegung des Beines (oberer Umkehrpunkt) bezogen auf den gleichseitigen Arm zu Beginn der Zugphase, zu Beginn der Druckphase und auf Höhe der Schulter während der Rückholphase. Der gegengleiche Arm befindet sich dann zu diesen drei definierten Zeitpunkten in der Druckphase, am Ende der Rückholphase und beim Anstellen der Hand in der Zugphase. Diese Variante taucht sowohl bei dem S-förmigen als auch beim geradlinigen Armzugmuster auf.
Koordination, Technikvariante 2: Andererseits wird bei verminderter Armzugfrequenz und vermehrtem Gleiten die Abwärtsbewegung des Beines bezogen auf den gleichseitigen Arm am Ende der Rückholphase, beim Anstellen der Hand in der Zugphase und am Ende der Druckphase eingesetzt. Analog dazu ist der gegengleiche Arm am Ende der Zugphase, zu Beginn der Rückholphase und zu Beginn der Zugphase. Diese Variante wird überwiegend bei Streckenlängen von mehr als 200m in Verbindung mit dem S-förmigen Armzugmuster eingesetzt und erfordert eine effiziente Beinbewegung.
Mit zunehmender Streckenlänge fällt beim Kraulschwimmen der Stroke-Index (Schwimmgeschwindigkeit * Zyklusweg) ab (s. Abb.)
Exkurs: Ähnlich der oben beschriebenen differenzierten Armbewegung, werden in der US-amerikanischen Trainerausbildung vier verschiedene Zugvarianten beschrieben. Ausgehend von der die Klopffestigkeit des Benzins charakterisierende Oktanzahl, wird dieser Begriff übernommen. Dabei wächst die Oktanzahl mit zunehmender Leistung (Schwimmgeschwindigkeit): Mittel- und Langstrecke 87-89 Oktan, Sprint bis 93. Mir erscheint diese Vorgehensweise recht schematisch, da zu wenig individuelle Unterschiede berücksichtigt werden. Zudem ergeben sich die Unterschiede weitgehend nur aus der Überwasserphase (The Race Club: Freestyle Swim technique – Octane Level Introduction. https://www.youtube.com/watch?v=kYFxa3PykdA&t=313s – Zugriff 11.11.21)
- Video (Drills/Thorpe): https://www.youtube.com/watch?v=Tgb2Li5AH7M – Zugriff 30.01.2020
- Küchler, J. (2014). Schwimmtechnik variabel verfügen und wettkampfstabil. In Rudolph: Topschwimmer, Bd. 3, Hofmann, S. 134-140
- Fischer, S. (2021). Biomechanische Grundlagen der Kraultechnik. DSTV-Reihe, Bd. 46, 86 -104 (s. auch https://www.bisp-surf.de/Record/PU202101000553 – Zugriff 11.11.21)
DSV und IAT erarbeiteten ein Leitbild zum Kraulschwimmen, das zunächst in swim & more (2/22, 10-15) vorgestellt wurde und später auf das Onlineportal „RTK Schwimmen“ eingestellt wird.
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