Begriff: Nahrungsergänzungsmittel (NEM)
Nahrungsergänzungsmittel (NEM)
Nahrungsergänzungsmittel (NEM) (supplements), ernährungsphysiologisch bedeutende Stoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Amino– und Fettsäuren, die den Lebensmitteln und nicht den Arzneimitteln zugeordnet werden. Somit unterliegen sie nicht der Genehmigung durch ein Bundesamt und der Markt wird immer unübersichtlicher, zumal sie über das Internet (zumeist aus USA) bestellt werden können. NEM können zum Beispiel folgende Stoffe enthalten:
- Vitamine wie Vitamin C, Vitamin E oder Folsäure
- Vitamin-Vorstufen (Provitamine) wie Betacarotin
- Vitamin-ähnliche Substanzen wie Coenzym Q10
- Mineralstoffe und Spurenelemente wie Calcium, Magnesium, Eisen, Zink
- Fettsäuren wie Omega-3-, Omega-6-Fettsäuren
- Eiweißbestandteile wie L-Cystein, L-Carnitin
- Kohlenhydrate wie der Ballaststoff Oligofructose
- sonstige Inhaltsstoffe wie Bierhefe, Algen, probiotische Kulturen (https://www.gesundheitsinformation.de/was-sind-nahrungsergaenzungsmittel.2278.de.html – Zugriff 7.12.20)
Bei einigen Nahrungsergänzungsmitteln besteht ein hohes Risiko der Kontamination („Verunreinigung“) mit anabol-androgenen Steroiden. Deshalb raten immer mehr Dachverbände von der Aufnahme von Nährstoffen (Supplementierung) mit NEM ab. Es sollten nur NEM eingenommen werden, die vom Dopinglabor in Köln mit einem entsprechenden Zertifikat versehen sind (www.osp-koeln.de). Die von Athleten oftmals bezeugte leistungssteigernde Wirkung der NEM ist zumeist einem Placeboeffekt geschuldet (Schek, A. 2020).
Das IOC verweist in einem “Consensus Statement” darauf, dass NEM von Sportlern am meisten zur angeblich direkten oder indirekten Leistungssteigerung konsumiert werden. Aber nur wenige Mittel (einschließlich Koffein, Kreatin, spezifische Puffersubstanzen und Nitrat) können ihren Nutzen belegen. Die Reaktionen werden jedoch durch das Anwendungsszenario beeinflusst und können aufgrund von Faktoren wie Genetik, Mikrobiom und gewohnheitsmäßige Ernährung von Person zu Person stark variieren. Deshalb sollten vor der Einnahme von NEM Sportmediziner und/oder Ernährungsberater konsultiert werden. Mittel zur Leistungssteigerung sollten vor dem Einsatz im Wettkampf gründlich im Training oder in simulierten Wettkämpfen erprobt werden. Dabei wird vor einer unbeabsichtigten Einnahme von Substanzen gewarnt, die nach den Anti-Doping-Codes verboten sind. Der Schutz der Gesundheit des Athleten und das Bewusstsein für das Schadenspotenzial müssen an erster Stelle stehen (Maughan et al. 2018).
Und so sieht die Praxis aus: Nach einer Befragung spanischer Freiwasserschwimmer konsumieren 79,5% NEM, die sich wie folgt verteilten: 62,9% Sportgetränke, 53% Energieriegel, 39,4% KoGein, 25% Vitamin C, 22,7% Vitamin D, 22% Magnesium und 19,7% Aminosäuren (BCAA). 52% sehen in NEM eine Möglichkeit der Leistungssteigerung, weniger zur Gesunderhaltung (Jiménez-Alfageme et. al. 2022).
Schätzungen deuten darauf hin, dass der Placebo-Effekt für einen beträchtlichen Teil des gesamten Leistungsnutzens häufig verwendeter Sportnahrungsergänzungen verantwortlich sein könnte, wobei eine Meta-Analyse von Marticorena et al. (2021) schätzt, dass er zu etwa 25 % bis 60 % der Gesamtwirksamkeit von Koffein und Puffersupplementen beitragen könnte. Diese Erkenntnis hat wichtige praktische Auswirkungen, da sie unterstreicht, dass die Verwendung von Sportergänzungsmitteln sowohl eine physiologische als auch eine psychologische Komponente umfasst. Sporternährungsberater sollten dies bei ihrer Arbeit mit Sportlern berücksichtigen. Sicherlich sollten nur evidenzbasierte Nahrungsergänzungsmittel empfohlen werden; es ist jedoch wichtig zu bedenken, dass die Überzeugung, die ein Sportler von einem Nahrungsergänzungsmittel hat, dessen Wirkung auf die Leistung verstärken – oder verringern – kann. Angemessene Kommunikation und die Zustimmung des Sportlers können entscheidend sein, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass jeder Einzelne eine positive Wirkung erfährt.
Exkurs: Eine Zusammenfassung von 78 klinischen Studien (Cochrane Bibliothek, 2012) ergab keine vorbeugende Wirkung einer regelmäßigen Zufuhr von Antioxidantien (Beta-‐Karotin, Vitamin A-‐, E, -‐C und Selen) auf die Sterblichkeit, aber eine erhöhte Sterblichkeit um 3-4% durch die vermehrte Zufuhr von Beta-‐Karotin, Vitamin E und möglicherweise Vitamin A. (http://cochranelibrary-wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD007176.pub2/abstract). Der SPIEGEL überschreibt eine Recherche zu NEM “Gefährlicher Hokuspokus”, indem er auf unzulässige und irreführende Werbeversprechen verweist. Apotheken, die ob ihrer Qualifikation davor warnen müssten, verdienen fleißig mit (DER SPIEGEL vom 3.06.23, S.92-96). “Die Diät- und Ernährungsbranche ernährt sich von den Selbstzweifeln der Menschen, von Schönheitsidealen, von fragwürdigen Körpernormen. Und von einem real exisitierenden Problem: dem zunehmenden Übergewicht der Deutschen” (DER SPIEGEL 19/25, S.59).
“Durch die unnötige Einnahme von Vitaminen verteuert man nur seinen Urin”, übereinstimmende Meinung der Ernährungswissenschaftler
- Schek, A. (2018). Consensus Statement 2018 zu Nahrungsergänzungsmitteln. Leistungssport (48)5, 31-33
- Scheck (2020). Nahrungsergänzungsmittel im Sport, swim & more. Heft 8, 46-50
- Braun, H. (pp-Vortrag): http://www.bfr.bund.de/cm/343/nahrungsergaenzungsmittel-fuer-sportler.pdf – Zugriff 7.12.20
- Hahne, D. (2015). Ernährung für Sportler: Fit auch ohne Pillen und Pulver. (http://www.aerzteblatt.de/archiv/171478 – Zugriff 7.12.20 )
- DOSB-Broschüre: https://cdn.dosb.de/user_upload/Leistungssport/Dokumente/NEM_Broschuere-web_14-7-2014_Doppelseitig.pdf – Zugriff 7.12.20