Bildung
Bildung (education), einer der wichtigsten und zugleich umstrittensten Grundbegriffe des erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Denkens. Im weitesten Sinne bedeutet Bildung Bewusstseinsformung durch geistige Erschließung der Welt. Sie hat eine Doppelfunktion, einmal zielt sie als allgemeine Bildung auf die mündige und selbstbestimmte Teilhabe an der Organisierung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen (Subjektbildung), zum anderen im Sinne von Ausbildung auf die Qualifikation (→Kompetenz) in einem Beruf (Bernhard & Rothermel 1997, S. 67-69).
Bildung als Formung der Persönlichkeit war lange Zeit nur auf geistige und seelische Aspekte beschränkt. Inzwischen fanden aber auch Bewegung, Spiel und Sport Eingang in das neue Bildungsverständnis. Sie „sind elementare und unverzichtbare Bestandteile ganzheitlicher Bildung. Sie beeinflussen die sprachliche, körperliche, emotionale, intellektuelle und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sport fördert damit die Bildung einer umfassenden Persönlichkeit“ (Kultusministerkonferenz: https://www.kmk.org/themen/sport.html). Der Sport stellt in einer Welt der Körperdistanzierung und oft einseitiger und verzerrter Körperbilder … eine Möglichkeit dar, Körperlichkeit, Sinnlichkeit, Gesundheit, Wohlbefinden, Freude auf relativ natürliche Weise zu erfahren, in sportlichen Handlungssituationen Regeln und Regelbefolgung, Siegen und Verlieren, zu lernen, Identität zu entwickeln, soziale Integration zu erleben und damit in einem wichtigen Lebensbereich handlungsfähig zu werden. In diesem Sinne hat der Begriff Bildung als Leitkategorie für die Sportpädagogik überdauernden Charakter“ (Kurz, in Röthig & Prohl, 2003, S.107). Frühkindliche Bildung kann von gezielten Bewegungsangeboten wertvolle Impulse erhalten. Es liegen empirisch gestützte Erkenntnisse vor, die darauf hinweisen, dass vor allem motorisch und sprachlich auffällige Kinder von entsprechenden Bewegungsinterventionen am stärksten profitieren (Schmidt et al. 2015). Kurzum: „Bildung braucht Bewegung“.
Die Bildungsziele für Trainer sind in den „Rahmenrichtlinien für Qualifikation des DOSB und des DSV festgeschrieben. Als Schlüsselqualifikation zählen Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Zielorientierungsfähigkeit, Planungsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Fairness, Leistungsstreben, Gesundheitsbewusstsein usw. „Vor allem für junge Menschen stellen Mitarbeit, Mitbestimmung und Mitverantwortung im Sportverein und sportliche Aktivitäten ein von Ganzheitlichkeit geprägtes Erlebnis- und Erfahrungsfeld dar, das bei kompetenter Betreuung erheblich zur Persönlichkeits- und Sozialbildung beiträgt. Engagement im Sport ermöglicht also, elementare demokratische Verhaltensweisen zu erproben und anzuerkennen, soziale Schlüsselqualifikationen zu erwerben, die auch über den Sport hinaus von Bedeutung sind, sowie an der Gestaltung des Sports mitzuwirken“ (RRL für Qualifikation im DSV, 2005). Im Mittelpunkt des Bildungsbegriffes steht die Aktivität des Kindes/Jugendlichen, denn ein Mensch wird nicht gebildet, er bildet sich selbst (→Selbstbildung). Dabei sind Bildung (→Wissen) und Erziehung (→Haltung) immer als Einheit zu sehen (Prinzip der Einheit von sportlicher Ausbildung und Erziehung).
Das Bildungsziel des Nachwuchsleistungssportlers äußert sich darin, dass er „sich freiwillig und mit zunehmender Leistungsbereitschaft und Kreativität Ziele steckt und diese anstrebt. Parallel dazu hat er sich den Anforderungen einer nachhaltigen Bildung und Persönlichkeitsentwicklung zu widmen, damit er sowohl während als auch nach Beendigung seiner leistungssportlichen Karriere befähigt ist, eigenverantwortlich ein sinnerfülltes Leben zu führen…Dabei haben sich die schulischen Anforderungen mit der Verkürzung der Gymnasialzeit um ein Jahr, mit der Einführung des Ganztagsunterrichts und mit zentralen Abiturprüfungen in den zurückliegenden Jahren maßgeblich verändert. Ambitioniertes Nachwuchstraining kann folglich kaum noch nach dem Schulunterricht im Verein erfolgen, sondern muss sinnvoll mit dem Schulbetrieb verbunden bzw. zum Unterricht gemacht werden. Die Kooperation von Leistungssport und Schule ist entscheidend für ein wirksames System der Nachwuchsförderung“ (DOSB Nachwuchsleistungssportkonzept 2020, S. 8 und 18).
Exkurs: Zur Sicherung der leistungssportlichen Ziele bei Wahrung des Bildungsauftrags wurden im deutschen Sport die Eliteschulen des Sports geschaffen, die nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz und des DOSB (2018) als erfolgreiches Modell der dualen Karriere weiter gestärkt werden sollen. Dass der Weg nicht einfach ist, beschreibt ein ehemaliger Direktor einer Eliteschule in Berlin (Barney 2014). Eine äußerst kritische Bilanz zieht hingegen Güllich (2018), wonach die Eliteschulen des Sports (bezogen auf die Leichtathletik) nicht mit erhöhten Erträgen in Form von Erfolgen im Spitzensport einhergehen, aber mit geringeren Bildungsabschlüssen und Berufsaussichten. Dabei erzeugen sie beträchtlich ausgeweitete materielle und immaterielle Kosten (finanzielle Kosten, Fördermaßnahmen; zeitlicher Trainingsumfang, Verzicht auf anderweitiges Engagement, oft frühzeitiges Verlassen des Elternhauses, Heimatvereins und Freundeskreises, Koordinationsprobleme). Ich sehe von den Sportpädagogen immer wieder erhobene Zeigefinger, man kann damit aber auch eine Richtung anzeigen!
„Die Bildung ist in glücklichen Zeiten eine Zierde, in unglücklichen Zeiten eine Zuflucht“. Aristoteles (384 – 322 v. Chr.)