Spezialisierung, frühzeitige
Spezialisierung, frühzeitige (specialization, early), Vorzeitige Ausrichtung einer Ausbildung auf die spezifischen Anforderungen von Wissenschaft und Praxis, oft mit Verlust an Grundlagen und Einschränkung beruflicher Mobilität verbunden, Beispiel Bachelor-Ausbildung
„Im Extremfall wissen immer mehr von immer weniger, bis alle alles von nichts wissen“ (aus Robert W. „Der Planet der Verarschten“, BoD-Norderstedt, 2015)
Im Sport wird unter „frühzeitiger Spezialisierung“ die Vorwegnahme von →Trainingsreizen zur forcierten Entwicklung der Wettkampfleistung vornehmlich im →Nachwuchstraining verstanden. Verursacht wird sie zumeist von überehrgeizigen →Eltern, →Trainern und Funktionären, die in falscher Erwartung eine optimale Entfaltung der potentiellen →Anlagen des Kindes hemmen, sich am kurzzeitigen Erfolg erfreuen und damit zumeist die sportliche Karriere des Kindes beschneiden („ausbrennen“). Die frühzeitige Spezialisierung steht im Widerspruch zum systematischen →langfristigen Leistungsaufbau. Der Jahrgangsmeister ist kein Garant für den Weltmeister. →Dropout
Beim Erarbeiten der →Nachwuchskonzeption des DSV haben wir geprüft, inwieweit wir Elemente des → „deliberate play“ (Beispiel Kindersportschule Bayreuth) oder → „deliberate practice“ übernehmen und uns mehrheitlich für ein frühzeitiges, zielgerichtetes und vielseitiges Üben entschieden. Wir begründen das mit den spezifischen Bedingungen des Schwimmens:
- dem Medium Wasser, in dem sich der Anfänger erst einmal zurechtfinden muss,
- der Komplexität der →Leistungsstruktur (vier Schwimmarten, Strecken von 50m bis 10 km, Einzel- und Staffelrennen),
- dem hohen Anteil an vielseitiger →athletischer Ausbildung (25-32%),
- dem relativ niedrigen →Hochleistungsalter.
Kurzum es geht darum, vielseitig und spielend zu spezialisieren (Rudolph, 2015, S.25). Frühzeitig in das Wasser zu gehen, ist noch keine frühzeitige Spezialisierung! →Spezialisierung, rechtzeitige, →Talentsichtung, →Talentförderung
Exkurs: „In Indien lief der vierjährige Budhia Singh am 1. Mai 2006 eine Strecke von 65 Kilometer am Stück in etwa sieben Stunden. Den gesamten Weg bestritt er zur „Abhärtung“ ohne Getränke und Nahrung. Er hat es damit in das indische Rekordbuch Limca geschafft. Mit vier Jahren ist er bereits sechs Halbmarathons gelaufen. Er wurde seit seinem zweiten Lebensjahr von Biranchi Das, der ihn adoptiert hatte, trainiert. Am 8. Mai 2006 hat die Regierung angeordnet, dass Budhia aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr laufen darf. Die folgenden Untersuchungen bei Budhia ergaben Unterernährung, Blutarmut und Herzrhythmusstörungen. Am 14. April 2008 wurde der 40-jährige Trainer vor seinem Trainingsgelände niedergeschossen und verstarb.
Liebe Trainer, sichert lieber den systematischen langfristigen Leistungsaufbau, bevor ihr erschossen werdet!“ (Rudolph, 2015, S. 24)