Denken, positives

11. Juli 2021 D 0

„Denken, positives“ (positive mental attitude), Element aus dem „mentalen Werkzeugkasten“ (Beckmann & Elbe, 2008, S. 124), eine von den Psychogurus der Wirtschaft übernommene umstrittene Methode, die vordergründig das Bewusstsein manipuliert und die natürlich-seelische Entwicklung nur behindert.

Obwohl positives Denken nicht auf der psychologischen Wissenschaft basiert, wird es auch im Sport immer wieder empfohlen. Erfolg wie Misserfolg sind ständige Begleiter von sportlichen Aktivitäten. Sportler wie Trainer müssen lernen, damit umzugehen und diese nicht zu verdrängen. Eine ständige Unterdrückung negativer Emotionen ist ein hohes Risiko für körperliche und seelische Gesundheit. Man muss auch „Dampf ablassen“ können. Zudem wird das Problem des Versagens individualisiert, Misserfolge werden personalisiert, das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aber von Schuld freigesprochen (Wikipedia). Bei zwanghaftem Verordnen guter Stimmung sprechen Psychologen  inzwischen von Toxic Positivity

Wenn ein Trainer die Technik eines Anfängers bewertet, dann sollte er schon zunächst den Fortschritt loben, aber dann doch auf ein-zwei wesentliche Mängel verweisen (nicht alle auf einmal). Wie soll der Sportler die Mängel abstellen, wenn er sie nicht kennt? Besonders erfolgreiche Schwimmer reagieren oft empfindlich auf Kritik; positiv Denken heiß hier, Danke es hilft mir weiter!

Exkurs: Eine schlecht vorbereitete Nationalmannschaft kann nicht mit der Losung „Wir sind Weltklasse“ („Hurrakultur“) motiviert werden. Selbst wenn die Sportler fern jeglichen Realitätsbewusstseins wären, der Misserfolg ist programmiert. Ich kann einen schlechten Trainingszustand nicht „gut quatschen“, aber – und da setzt positives Denken ein – aktuell das Beste daraus machen. „Choose to be happy! (Entschließe dich, zufrieden zu sein!)“ ist ein Wahlspruch von Wayne Goldsmith (2007), mit dem er angeblich die australischen Schwimmer zu Erfolgen führte. Aber „gute Laune darf nicht zum Zwang“ werden (Zeit online, 12.09.17). „Auch die Mentaltricks der Spitzensportler, die oft als Allheilmittel verkauft werden, können negative Konsequenzen haben, wenn sie den falschen Menschen aufgezwungen werden, da die Wirkung von der Psyche dann als unglaubwürdig eingestuft wird. Heroische Phantasien führen ihnen nämlich nur vor Augen, welche Ziele außerhalb ihrer Möglichkeiten liegen. Das verstärkt dann die negative Stimmung und stimmt pessimistisch und gleichgültig. Hier helfen eine realistische Einschätzung und das Durchspielen möglicher Schwierigkeiten und Misserfolge, denn wer sich machbare Ziele steckt, sollte sich nicht nur die erwünschte Zukunft lebhaft vorstellen, sondern auch die möglichen Hindernisse auf dem Weg dorthin vorwegnehmen.“ (http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MOTIVATION/Positives-Denken.shtml). Mit dem „Diktat des positiven Denkens“ sind wir an einer Nahtstelle, wo Wissenschaft in Glauben abrutscht. →Optimismus, →Pessimismus

Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, sollte man nicht auch noch den Kopf hängen lassen. (Verf. unbekannt)


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