Entwicklungsphase, sensible

12. April 2017 E 0

Entwicklungsphase, sensible (developmental phase, sensitive), von der Embryologie übernommenes Konzept, wonach „es in der morphologischen Entwicklungvon pflanzlichen und tierischen Organismen zeitlich begrenzte Abschnitte gibt, in denen die Zellsysteme auf Einflüsse aus der Umgebung besonders empfindlich reagieren, während solche Einflüsse in einem späteren Entwicklungsstadium keine entwicklungsbestimmenden Auswirkungen mehr haben“. Von seinen Studien mit Tieren angeregt entwickelte Lorenz das Konzept der Prägung. Letztendlich steht aber die Annahmen über sensible Phasen in der menschlichen Entwicklung „auf schwachen Beinen“ (Baur, 1987, S.9). Winter sah einen möglichen empirischen Nachweises sensibler Phasen skeptisch und sprach lediglich von „trainingsgünstigen Zeiträumen für die Ausprägung sportlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (Winter, 1980,102).

Ungeachtet dessen dominierte der Begriff der sensitiven Phasen die Lehrbücher als ein Lebensabschnitt, in dem der Sportler auf Trainingsreize intensiver reagiert als zu anderen Zeiten und somit lern- und anpassungsfähiger ist (auch Prägungsphasen). Diese Phasen sind, insbesondere im Bereich der Motorik, vielfach empirisch nachgewiesen („bestes motorisches Lernalter“), wobei aber neuere Untersuchungen die Befundlage zur „Theorie der sensiblen Phasen“ kontrovers darstellen und so der endgültige wissenschaftliche Nachweis der „sensitiven Phasen“ noch ausbleibt (Hohmann et al. 2002). Dem entgegen führen Leipziger Sportwissenschaftler drei Positionen ins Feld (in Schnabel et.al.2008, S. 412).

  • Sensible Phasen bedingen nicht schicksalhaft die Leistungsentwicklung, später ist aber zumeist der Trainingsaufwand höher.
  • Durch die Nutzung sensibler Phasen können im langfristigen Aufbau Entwicklungspotenzen effektiver genutzt werden.
  • Durch belastungsreduzierte Phasen wird einerseits der Halte- und Stützapparat geschont, andererseits frühzeitig an die Kraft/Last- und Hebelverhältnisse angepasst.

Exkurs: Letztendlich „wird akzeptiert, dass die Praxis des Hochleistungssports Unterstützung seitens der Trainingswissenschaft benötigt und dabei nicht immer auf die Klärung strittiger Fragen warten kann“ (ebenda). Eine mechanistische Zuordnung bestimmter Fähigkeitsentwicklungen an das Lebensalter sind besonders im mittleren Kindesalter bis zum frühen Jugendalter wegen der unterschiedlichen Wachstumsverläufe schwer zu praktizieren. Trotzdem gibt es Schwerpunkte, die für ein systematisches Nachwuchstraining von den Wissenschaftlern des IAT „auf den Punkt“ gebracht wurden:

Alle energetischen und neuronalen Systeme sind jederzeit trainierbar, die Anpassungsmechanismen verlaufen jedoch in den jeweiligen Entwicklungs­abschnitten effektiver, wenn die Belastung in Umfang, Intensität und Fre­quenz individuell angemessen erfolgt. Vor dem Abschluss der Geschlechtsreife sollte der Schwerpunkt auf der Ausbildung grundlegender sportlicher Bewegungsformen (von vielseitig hin zu sportart­gerichtet), der Schnelligkeit und Gewandtheit sowie der Kraft zur Sicherung der Belastbarkeit liegen.“ (Hoffmann et al, 2013, S.8).

 

Mehr zum Thema: http://www.dsv.de/fileadmin/dsv/documents/schwimmen/Amtliches/150327_Nachwuchskonzeption_Schwimmen_2020.pdf (Zugriff 25.02.2019)


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