Dehnung

20. August 2024 D 0

Dehnung (extension; stretching), (Mechanik) Effekt einer Zugwirkung, in der Trainingsmethodik die Anwendung muskulärer Dehnübungen, die im Schwimmen zum Trainingsalltag gehören.

Besonders mit zunehmendem spezifischem Training neigt die Muskulatur zu Verkürzungen, die aber mit Dehnübungen nur begrenzt eingeschränkt werden können. Hier ist ein Aufbautraining der defizitären (antagonistischen) Muskulatur wirksamer (Wiemann et al. 1998). Ferner führt Dehnung zu zentralnervöser Entspannung und fördert die Gelenkbeweglichkeit. Obwohl mit Dehnungsprogrammen die Muskelermüdung gemildert werden kann, konnte ein postiver Einfluss auf Laktatabbau und kardiovaskuläre Adaptation nicht nachgewiesen werden (Alessandria et al. 2024). →Stretching

Es wird zwischen dynamischen (schwingenden, wippenden, federnden) und statischen (stretchenden) Dehnmethoden unterschieden. Bei Dehnübungen ist zu achten auf ausreichende Aufwärmung, stabile Körperhaltung, vorsichtiges und dosiertes Führen des Muskels bis zum Endpunkt, Vermeiden von Überdehnen in schmerzhafte Strukturen, Verzicht von Ausweichbewegungen und abschließendes Lockern.

In der Trainingswissenschaft gibt es nach wie vor Wissensdefizite hinsichtlich der physiologischen Mechanismen (u.a. Warneke et al. 2024). So verursache statisches Dehnen  kurzfristig signifikante Leistungsverluste bei Sprintbelastungen, besonders auf reaktive Belastungen bezogen. Deshalb wird abgeraten, im Vorfeld von Sprintleistungen statisch zu dehnen (Hillebrecht et al. 2006). Wo die Theorie noch Lücken hat, hilft oft das Gefühl des erfahrenen Physiotherapeuten. „Das spezielle Aufwärmen sollte so durchgeführt werden, dass die Übungen der Zielübung in ihrer dynamischen und kinematischen Ausführung möglichst ähnlich sind. Eine gute passiv-statische Beweglichkeit kann hingegen nur als allgemeine Grundlage dienen“ (Turbanski, 2005).

Dehnübungen vor und nach Wettkämpfen sollten Bewegungen mit maximaler Kontraktion folgen. Der zeitliche Abstand zu Training/Wettkampf sollte höchstens 5-10 Minuten betragen. Ein verletzungsprophylaktischer Effekt durch Dehnung konnte nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, so wie insgesamt zahlreiche positive Effekte, die man in Verbindung mit Dehnübungen erwartete, nicht eingetreten sind. Andererseits ist der Bekanntheitsgrad von Forschungsergebnissen zu Dehnungseffekten  unter Sport- und Gesundheitsexperten alarmierend gering (Warneke et al. 2024).

Muskelkater wird durch intensives Dehnen eher hervorgerufen als beseitigt. Experimentell wurden die Vergrößerung der Bewegungsamplitude und die kurzfristige Herabsetzung der Ruhespannung bestätigt (Klee & Wiemann, 2004). Dynamische Dehnen verstärkt den Zuwachs an Muskelkraft in den unteren Gliedmaßen, während die akute PNF (Propriozeptive neuromuskuläre Entspannung) einen negativen Einfluss auf die muskuläre Ausdauer hatte (Dod reis et al. 2024).

Beim gegenwärtigem Erkenntnisstand lässt sich für die Trainingspraxis, besonders unter dem Aspekt der Wirksamkeit des Dehnens auf die Wettkampfleistung zusammenfassen (Gärtner, 2013):

Mit Dehnen vor dem Sport büße ich zwei bis fünf Prozent meiner maximalen Leistung ein. Dieser Leistungsbereich ist für Freizeitsportler irrelevant.“ (Freiwald, 2015 zitiert in: http://www.welt.de/gesundheit/article139913564/Dehnen-vor-dem-Sport-kostet-Leistung-aber-egal.html)

Exkurs: Nach einer umfangreichen Metaanalyse stellten Alfonso et al. (2024) fest, dass viele Bereiche der Dehnung noch nicht ausreichend erforscht und andere derzeit zu heterogen sind, um die Studien zuverlässig zu vergleichen. Spitzensportler sind nur in begrenztem Umfang vertreten und die Stichprobengröße ist zu gering (= 20 Teilnehmer). Die Forschung konzentrierte sich auf erwachsene männliche Athleten in Sportarten, die keine extremen Bewegungsumfänge erfordern, und untersuchte meist die akuten Auswirkungen von statischem aktivem Dehnen und dynamischem Dehnen während des Aufwärmens. Die Dosis-Wirkungs-Beziehungen sind noch weitgehend unerforscht. In den meisten Studien (~ 85 %) wurde das Dehnen im Rahmen des Aufwärmens durchgeführt, während andere Anwendungszeitpunkte (z. B. nach dem Training) nur unzureichend erforscht wurden. Die meisten Studien untersuchten statisches aktives Dehnen (62,3 %), gefolgt von dynamischem Dehnen (38,3 %) und Dehnen mit propriozeptiver neuromuskulärer Fazilitation (PNF) (12,0 %), wobei alternative Methoden (z. B. ballistisches Dehnen) kaum untersucht wurden.

Mehr zum Thema:

  • http://circuit-training-dehnen-dr-klee.de/  und Klee & Wiemann (2004). Methoden und Wirkungen des Dehnungstrainings. DSTV-Reihe, Bd. 23, 58-72
  • Warneke, Behm, Alizadeh, Hillebrecht, Konrad & Wirth (2024). Discussing conflicting explanatory approaches in flexibility training under consideration of physiology: a narrative review Sports Medicine, 54 (7), 1785-1799. Zugriff am 24.07.2024 unter https://doi.org/10.1007/s40279-024-02043-y

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert